13.04.2007

Ellul und der Glaube

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Ellul und der Glaube

„Nichts kann [die Religion] zerstören, denn was sie in Frage stellt, nimmt schnell ihren Platz ein und wird seinerseits zum Gegenstand religiösen Glaubens – ich habe das an anderer Stelle für das Heilige gezeigt. Die Macht, die einen Ort, eine Versammlung, eine Religion entsakralisiert, wird schnell ihrerseits sakralisiert. Das Gleiche gilt, wo beansprucht wird, einen Glauben zu zerstören. Die zerstörerische Kraft wird schnell zum Gegenstand eines Glaubens. Man konnte das ganz deutlich während der großen Offensive gegen die „Religion“ sehen, die im Sinne der strikten Trennung von Staat und Kirche geführt wurde: In kurzer Zeit wurde aus dieser Bewegung ein Laizismus, bei dem es sich um einen festen Glauben an Werte, an eine unabhängige Moral, an eine Art intellektuelle, ja spirituelle Kommunion handelte. Die Tatsache des Glaubens scheint also der menschlichen Natur inhärent. Auf diesem Feld verschiedener Glaubensformen nimmt der religiöse Glaube, der sich auf ein ungreifbares Jenseits bezieht, einen Platz unter anderen ein.“

Aus: Jacques Ellul, „Islam et judéo-christianisme“, Paris (PUF) 2004

Le Monde diplomatique vom 13.04.2007