14.12.2007

Monopoly mit dem Weltklima

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Monopoly mit dem Weltklima

In Bali wird derzeit ein Nachfolge-Abkommen für das Kioto-Protokoll verhandelt. Möglichst viele Staaten sollen verbindliche Grenzen für den Ausstoß von Treibhausgasen akzeptieren. Der Emissionshandel gilt als geeignetes Mittel, aber marktliberale Mechanismen verkehren die gute Absicht in ihr Gegenteil von Aurélien Bernier

Die ersten wirtschaftswissenschaftlichen Arbeiten, die eine Art Umweltsteuer ins Gespräch brachten, erschienen im Jahr 1920. Damals publizierte der britische Ökonom Arthur Cecil Pigou sein Buch „The Economics of Welfare“ („Ökonomie der Wohlfahrt“), das sich mit den „Externalitäten“ oder „externen Effekten“ in den Bereichen Produktion und Konsum befasste. Als Beispiel behandelte Pigou die Wald- und Feldbrände entlang den Eisenbahnlinien, verursacht von glühenden Kohlestücken, die aus den Schornsteinen der damaligen Dampfloks herausgeschleudert wurden. Pigou glaubte, dass eine Steuer, die man der Eisenbahngesellschaft zur Kompensation der angerichteten Schäden auferlegen müsste, zur Erfindung von Vorrichtungen gegen Flugasche führen würde. Damit wurde erstmals das Verursacherprinzip, also „der Verschmutzer zahlt“, angesprochen.

Pigous Thesen wurden vierzig Jahre später von einem anderen britischen Ökonomen namens Ronald Coase kritisiert. Er lieferte – etliche Jahrzehnte vor Kioto – den umweltbelastenden Unternehmen, die sich der Sanktionsgewalt des Staats entziehen und alles „dem Markt überlassen“ wollen, eine goldene Argumentationskette: Coase stellte die Wirksamkeit der Pigou’schen Steuern in Abrede, denn die Intervention des Staats habe stets Transaktionskosten zur Folge. Das ökonomische Optimum ergebe sich vielmehr aus direkten Verhandlungen zwischen den Geschädigten und der Eisenbahngesellschaft. Deshalb wäre es am besten, wenn dasselbe Unternehmen die Schienen und die an sie anschließenden Flächen besitzt, denn dann könnte sie das Problem auf dem Wege des internen Kostenausgleichs regeln. Nach diesem Coase-Theorem ist also aus ökonomischer Sicht die Definition von Rechten völlig belanglos: Die Frage, ob der Eigentümer der Felder und Wälder das Recht habe, nicht durch Brände geschädigt zu werden, sei ebenso irrelevant wie die Frage, ob die Eisenbahngesellschaft das Recht habe, solche Schäden zu verursachen.

Entgegen solchen marktradikalen Überlegungen beschloss die US-Regierung 1970 angesichts der anhaltenden Verschmutzung der Atmosphäre, strenge Normen für die Schadstoffbelastung festzulegen. Zu diesem Zweck wurde ein Bundesgesetz, der 1963 beschlossene und 1966 veränderte „Clean Air Act“ („Gesetz für saubere Luft“), erweitert. 1972 veröffentlichte dann der bekannte Club of Rome, ein internationales Gremium von Wissenschaftlern, Ökonomen, Politikern und Industriellen, seine Studie mit dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“1 , die eine Katastrophe prophezeite, falls die Menschen nicht unverzüglich die ökologische Dimension in ihr Verhalten einkalkulieren würden. Ende der 1980er-Jahre wurde dann die Hypothese vom Zusammenhang zwischen der Kohlendioxidkonzentration (CO2) in der Atmosphäre und dem Klimawandel entwickelt. Seitdem hat die Diskussion über den Treibhauseffekt eine immer größere gesellschaftliche Relevanz erlangt.

Trotz dieses wachsenden Umweltbewusstseins begann Anfang der 1990er-Jahre der Siegeszug der marktliberalen Ideologie. Weil die Grenzwerte des Clean Air Act in den städtischen Zonen nicht mehr einzuhalten waren und in der Folge mehrfach gelockert wurden, beschloss die US-Regierung, einen Emissionsrechtehandel einzuführen.

Mogelpackung Emissionshandel

Dieses System ist Bestandteil eines neuen sogenannten Acid-Rain-Programms, das auf eine Reduktion der für den sauren Regen verantwortlichen Schwefeldioxidemissionen (SO2) zielt. Das System funktioniert so, dass die 110 größten Luftverschmutzer Lizenzen für einen bestimmten SO2-Ausstoß erhalten, die sie anschließend auf dem Markt frei handeln dürfen.

Dahinter steht die Erwartung, dass Verbesserungen in erster Linie dort eintreten werden, wo die Summen, die dafür investiert werden müssen, am niedrigsten liegen. Das betreffende Unternehmen verfügt damit über überschüssige Emissionsrechte, das es an Unternehmen verkaufen wird, deren SO2-Ausstoß über der genehmigten Menge liege. Für Firmen, die am Ende des Jahres nicht für jede Tonne an emittiertem SO2 eine Genehmigung vorweisen können, sind hohe Strafzahlungen vorgesehen.

Dieses Emissionshandelssystem folgt, da es auf das freie Spiel der Marktkräfte setzt, scheinbar den Empfehlungen von Ronald Coase. Und das Acid-Rain-Programm war tatsächlich erfolgreich: Das gesetzte Ziel, die SO2-Emissionen gegenüber 1980 um 40 Prozent zu reduzieren, wurde erreicht und sogar übertroffen. Doch diesen Erfolg kann man, betrachtet man die Dinge genauer, nicht dem Markt zuschreiben.

Zunächst einmal wurden die Unternehmen durch die verstärkte Reglementierung in Form laufender Emissionskontrollen gezwungen, sich strikter an die Normen zu halten. Zudem hat die Kohleindustrie wettbewerbsfähige Produkte mit geringerem Schwefelgehalt, also weniger SO2-Emissionen, entwickelt. Beide Faktoren erklären einen großen Teil des starken Emissionsrückgangs, demgegenüber spielt der marktwirtschaftlich korrekte Emissionshandel nur eine Nebenrolle.2 Dabei sollte man übrigens die sekundären Effekte keineswegs vernachlässigen. Die geringere Wärmeleistung der neuen, weniger schwefelhaltigen Kohle führt zu einem höheren Verbrauch, womit sich automatisch der Ausstoß eines anderen Schadstoffs, des Kohlendioxids, erhöht. Aber für die Befürworter einer Nichteinmischung des Staats zählt nur eines: Der Emissionshandel ist effizient, und deshalb kann das Prinzip generalisiert werden.

Die 1988 auf Initiative des UN-Umweltprogramms (Unep) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründete internationale Expertengruppe für Klimaentwicklung (Intergovernmental Panel on Climate Change) IPCC oder kurz UN-Klimarat will die Entscheidungsträger vor den Folgen des Klimawandels warnen. 1992 wurde die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change) verabschiedet und von nahezu allen Staaten ratifiziert. In dieser UNFCCC ist das Ziel festgeschrieben, „die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre zu stabilisieren“, ohne allerdings Zielwerte und Methoden zu nennen. Das geschah erst in einem Zusatzabkommen zum Kioto-Protokoll, über das seit Dezember 1997 verhandelt wurde. Der Kampf zwischen Industrie- und Entwicklungsländern innerhalb der UNO ist hart, weil hier das Prinzip der Einstimmigkeit gilt. So dauerte es fast vier Jahre, bis am 10. November 2001 in Marrakesch die endgültige rechtliche Ausgestaltung des Kioto-Protokolls verabschiedet wurde. Es trat nach Ratifizierung durch genügend Teilnehmerstaaten am 16. Februar 2005 in Kraft.

Allerdings traten die USA anschließend von der Vereinbarung zurück, denn fast alle Mitglieder des Senats stimmten gegen die Ratifizierung (und nicht einer dafür). Damit waren knapp 40 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen nicht im Kioto-Protokoll erfasst. Berücksichtigt man noch, dass zum Zeitpunkt der Einigung auf die Modalitäten des Protokolls der Schadstoffausstoß bereits 4,8 Prozent unter dem Niveau von 1990 lag3 , reduziert sich das angestrebte Ziel für das Jahr 2012 de facto auf eine Menge, die angesichts dessen, was auf dem Spiel steht, völlig lächerlich anmutet. Nach Inkrafttreten des Kioto-Protokolls konnte die Lobby der größten Umweltverschmutzer die Einführung sogenannter flexibler Mechanismen erwirken, die ihnen maximale Vorteile verschaffen können.

Zertifikate, Allokationen und CO2-Kreditkarten

Das erste dieser Instrumente ist der Handel mit Emissionsrechten, den die USA mit dem Verweis auf ihre angeblich positiven Erfahrungen mit dem SO2-Emissionshandel durchgesetzt haben. Dabei scherten die Lobbyisten sich kaum darum, dass die Territorien, um die es geht, sehr heterogen sind, dass man die Vielzahl der emittierenden Anlagen nicht mit den wenigen US-Kohlekraftwerken vergleichen kann und dass im Kioto-Protokoll kein gemeinsamer Verordnungsrahmen vorgesehen ist.

Jeder Staat, der im Annex B des Protokolls4 aufgeführt ist, legt also einen Quotenzuteilungsplan vor, nach dem Emissionszertifikate für CO2 wie an die Spieler bei Monopoly an die größten Emittenten des Landes vergeben werden.5 Wohlgemerkt: Die Regierungen überlassen diese Zertifikate (wie bei Monopoly) den Unternehmern bislang ganz unentgeltlich, obwohl es durchaus möglich gewesen wäre, sie als fiskalisches Instrument für eine ambitionierte staatliche Umweltpolitik zu nutzen. Tatsächlich handelt es sich um „Verschmutzungsrechte“, und dass sie nichts kosten, zeigt nur, dass die Umwelt denen gehört, die sie schädigen.

Sind die CO2-Emissionskonten der Unternehmen erst einmal aufgefüllt, bleibt diesen nur noch eine Verpflichtung: Am Ende einer Emissionshandelsperiode müssen sie so viele Zertifikate zurückerstatten, wie es der Menge des von ihnen produzierten CO2 entspricht. Diese „Rückerstattung“ erfolgt als schlichte Buchungsoperation. Die jährlichen Emissionen werden als Ausgaben vermerkt, die durch die Zertifikate ausgeglichen werden müssen. Reichen die ursprünglich zugeteilten Zertifikate nicht aus, muss das Unternehmen weitere dazukaufen; im umgekehrten Fall kann es Zertifikate verkaufen. Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasen (etwa mittels Windrädern, Methangewinnungsanlagen in Mülldeponien, Brennstoffsubstitution oder Anlagen, die Holz in Energie umwandeln) können ebenfalls den Transfer von Zertifikaten zwischen Protokollunterzeichnern ermöglichen. In diesem Fall handelt es sich um eine sogenannte Gemeinschaftsreduktion (GR) beziehungsweise Joint Implementation (JI): Ein Land überträgt einen Teil seiner Zertifikate an ein anderes Land, das bei ihm in emissionsmindernde Projekte investiert.

Die Entwicklungsländer unter Führung Brasiliens haben jedoch erwirkt, dass solche Projekte auch in Nicht-Annex-B-Staaten realisiert werden dürfen, also in Ländern, die sich nicht zu konkreten Emissionszielen verpflichtet haben. Auch solche Länder können also ausländisches Kapital ins Land holen. Sie bekommen für die durch ausländische Investoren erzielte Reduktion von Treibhausgasemissionen andere Kredite, sogenannte zertifizierte Emissionsreduktionseinheiten (CERs). Durch solche Operationen erhöht sich das Volumen der zirkulierenden Kohlenstoffwährung.

Die CERs werden wie die JI-Zertifikate von den Vereinten Nationen unentgeltlich an die Investoren vergeben. Die wiederum können sie entweder zur Abgeltung ihrer Verpflichtungen nutzen, die sie nach einem Allokationsplan erfüllen müssen, oder aber auf den Märkten verkaufen, ganz wie ein von einem Staat vergebenes Zertifikat. Diese großartige Idee trägt den Namen Clean Development Mechanism (CDM) und sorgt dafür, dass die Zertifikate nicht knapp werden, die man auf diese Weise je nach Bedarf vermehren kann.

Schließlich sind die Parteien aufgefordert, diese Instrumente auf Sektoren auszuweiten, denen keine Zertifikate zugewiesen werden. Zum Beispiel hat die französische Regierung im Frühjahr 2007 einen rechtlichen Rahmen für sogenannte heimische Projekte geschaffen. Damit erhalten auch kleinere – private oder öffentliche – Unternehmen des landwirtschaftlichen oder des Transportsektors Zugang zum Emissionshandel, wenn sie Investitionen tätigen, die zur Reduktion oder Absorption des CO2-Ausstoßes beitragen.

Großbritannien geht noch weiter. Die Regierung in London arbeitet derzeit an einem Gesetzestext, der sogar jede erwachsene Person mit einer bestimmten Menge an Zertifikaten ausstatten soll. Eine Chipkarte, die diese Emissionsrechte als Guthaben verzeichnet, würde durch den individuellen Verbrauch primärer Energie belastet werden, etwa beim Tanken, wenn man den Heizöltank füllt oder die Stromrechnung bezahlt. Wird das Konto überzogen, muss man die CO2-Kreditkarte zu einem ziemlich hohen Preis wieder aufladen oder zusätzliche Einheiten auf dem Zertifikatemarkt erwerben.

Um die zweite im Kioto-Protokoll vorgesehene Phase des Emissionshandelssystems (2008 bis 2012) vorzubereiten, betreibt die EU seit 2005 einen eigenen CO2-Markt. Dabei haben die Erfahrungen der ersten beiden Jahre schon interessante Lehren gebracht und die Risiken offenbart, die sich aus dem Einsatz solcher liberalen Instrumente ergeben.

Der europäische Kohlenstoffdioxidmarkt funktioniert wie die Finanzmärkte. Der Handel spielt sich entweder direkt zwischen Zertifikatinhabern ab („nach Übereinkunft“) oder an organisierten Finanzplätzen (CO2-Börsen), die Transaktionen erleichtern und absichern. Letztere werden entweder in bar oder als „Termingeschäft“, also zu einem zuvor vereinbarten Lieferdatum abgewickelt. An der CO2-Börse kann man damit die Entwicklung von zwei verschiedenen Preisen verfolgen: dem aktuellen Preis für eine Tonne Kohlendioxid auf dem so genannten Spotmarkt und dem Preis für die im Dezember 2008 anfallende Tonne auf dem „Future“-Markt.

Nachdem sich der Spotmarktkurs fast ein Jahr lang zwischen 20 und 30 Euro bewegt hatte, ist er im Frühjahr 2006 nach Veröffentlichung der ersten Bilanz des realen CO2-Ausstoßes durch die Industrie eingebrochen. Diese Bilanz machte sichtbar, wie großzügig die Regierung bei der Zertifikatzuweisung gewesen war. Das überrascht freilich nicht, da diese Zuweisungen auf den Prognosen der Industrie basierten. Im September 2007 fiel der CO2-Kurs auf dem Spotmarkt mit 5 Cent pro Tonne auf einen Tiefststand, bei dem gerade noch die Transaktionskosten abgedeckt sind. Auf dem Future-Markt dagegen liegt der Preis derzeit deutlich über 20 Euro.

Die Investitionen, die im Hinblick auf den Treibhauseffekt getätigt werden, folgen klar erkennbar einer Rentabilitätslogik. Das zeigt sich etwa bei den zahlreichen Kohlenstofffonds, die gegründet wurden, um die Zertifikatbestände zu managen, und besonders deutlich bei den an CDM-Projekte vergebenen Zertifikaten. Den größten Fonds für Kohlenstoff-Aktiva unterhält die Weltbank.6

In Frankreich ist die staatliche Caisse des Dépôts et Consignations damit beauftragt, das nationale Emissionshandelsregister zu führen, dieselbe Institution verwaltet den europäischen Kohlenstofffonds, den sie freilich bei einer luxemburgischen Investmentgesellschaft deponiert hat.

Man muss nicht lange herumrechnen, um zu verstehen, warum bereits jetzt ein heftiger Run auf die CDM-Projekte eingesetzt hat. Angesichts der modernen Ausstattung der Betriebe und der hohen Arbeitskosten müssen in Europa 80 Euro investiert werden, um eine Tonne weniger CO2 zu produzieren. In China kostet dieselbe eingesparte Tonne im Durchschnitt 3 Euro.7 Nach dem Clean Development Mechanism entsteht nicht nur eine riesige Menge von Zertifikaten. Noch wichtiger ist, dass CDM-Zertifikate das ganze Jahr über gehandelt werden.

Es ist also keineswegs verwunderlich, dass Unternehmen der Industrieländer es vorziehen, in China zu investieren und dort treibhausgasreduzierende Projekte zu realisieren oder existierende Anlagen zu modernisieren, als ihre eigenen Emissionen zu verringern. Zudem sind Staaten, die dank zahlreicher Kohlenstofffonds öffentliche Gelder verteilen können, eher in der Lage, verdeckte Hilfen an Unternehmen zu leisten, die ja letztlich von den neu geschaffenen Zertifikaten profitieren.

Weit entfernt von den guten Absichten

Einige Analysten gehen davon aus, dass durch die CDM-Projekte bis 2012 neue Zertifikate entstehen, deren Umfang den gesammelten Treibhausgasemissionen von Kanada, Frankreich, Spanien und der Schweiz entspricht. Schon 2006 basierten mehr als 40 Prozent des Weltmarkts für Kohlenstoff auf zertifizierten Emissionsreduktionseinheiten (CERs)8 , die manchmal auch noch völlig missbräuchlich für fragwürdige Projekte vergeben wurden.9

Die Empfängerländer solcher CERs sind für die Investoren die attraktivsten Adressen. Nach den Zahlen der Weltbank gingen 73 Prozent der zertifizierten Emissionsreduktionseinheiten allein an China und Indien, und die in diesen Ländern durchgeführten Projekte gehen in die Hunderte. Der afrikanische Kontinent dagegen bekam nur etwas über 30 Projekte ab, und von diesen wiederum gingen 80 Prozent nach Südafrika, Ägypten und Tunesien. Wir sind also weit entfernt von den guten Absichten, mit denen die offiziellen Verlautbarungen gespickt sind, die sich so viel auf Umweltschutz, Technologietransfer und „Hilfe zur nachhaltigen Entwicklung“ zugutehalten.

Abgesehen von dem Zynismus der großen Konzerne erinnert die allgemeine Stimmung auf den Märkten, die mit dem Klimawandel zu tun haben, an die Euphorie, die sich an den neuen Informationstechnologien entzündet hat. Eine veritable Spekulationsblase hat sich bereits bei den handelbaren Zertifikaten herausgebildet, die den CO2-Ausstoß regulieren sollen. Die französische Areva-Gruppe lieferte sich über mehrere Monate mit der indischen Gruppe Suzlon ein Duell um den Kauf des größten deutschen Windkraftanlagenherstellers Repower, das sie am Ende verlor. Anfang April 2007 hatte die Areva ihr Betriebsergebnis von 2006 um ein Hundertfaches übertroffen. Der Börsengang der Umwelt-Tochterfirma der EDF (Électricité de France) gestaltete sich über alle Maßen erfolgreich. In weniger als anderthalb Stunden stieg die Aktie um 20 Prozent, und zum Handelsschluss war sie sechsfach überzeichnet. Im Februar 2007 baute der Stromkonzern durch den Kauf von 66 Prozent des Kapitals des Holzheizungsspezialisten Supra seine Stellung auf dem Markt der erneuerbaren Energien aus.

Auf einem anderen Feld betätigte sich in den letzten Jahren die in Frankreich angesiedelte Rhodia-Gruppe, die weltweit Chemikalien herstellt. Das von Skandalen erschütterte Unternehmen schlitterte 2003 knapp am Konkurs vorbei. Danach setzte das Management auf das CO2-Geschäft. Im November 2005 kündigte das Unternehmen die Renovierung von zwei Fabriken in Korea und in Brasilien an. Für die Investition von 14 Millionen Euro in diese Fabriken erhält Rhodia CO2-Zertifikate (über 77 Millionen Tonnen), deren Wert bis auf 200 Millionen Euro pro Jahr steigen könnte. Binnen einer Stunde nach dieser Meldung stieg der Wert dieser Zertifikate um 14 Prozent. Der Kohlenstofffonds, in dem die Papiere angelegt sind, wird in Partnerschaft mit der Société Générale bewirtschaftet.

Während Geschäftsbanken wie Lehman Brothers oder Rückversicherer wie Swiss Re die Investoren zu Recht ermuntern, sich im Kohlenstoffgeschäft zu engagieren10 , stehen wir erst am Beginn einer spekulativen Entwicklung, deren Gefahren bereits jetzt offensichtlich sind. Der Verlauf der internationalen Verhandlungen für die Zeit nach 2012 ist höchst beunruhigend. Die am Kioto-Protokoll beteiligten Parteien scheinen in der Tat zu zahlreichen Konzessionen bereit, um dieses Mal die USA ins Boot zu bringen. Doch die Strategie Washingtons könnte darauf hinauslaufen, anstelle von absoluten Zielen der Emissionsreduktion entweder eine nicht bindende Selbstverpflichtung auszuhandeln oder aber Ziele, die sich auf die „Kohlenstoffintensität“ beziehen, also die CO2-Haltigkeit des wirtschaftlichen Wachstums. Im zweiten Fall würde man die Menge an emittiertem Kohlendioxid im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP) zugrunde legen. Damit aber würden die politischen Maßnahmen gegen den Klimawandel endgültig zur bloßen Kosmetik verkommen.

Angesichts dessen bleibt wenig Zeit zum Handeln. Und auch die Bekundungen einiger Umweltschützer helfen nicht gerade, das Bewusstsein zu schärfen. So hat etwa die ehemalige französische Umweltministerin Dominique Voynet die Annahme, „dass der Handel mit Emissionsrechten einen liberalen Prozess darstelle“, als Falle bezeichnet.11 Und der Europaabgeordnete der Grünen Alain Lipietz hat das System der verhandelbaren Emissionsgenehmigungen explizit begrüßt. Damit wollen sie offenbar rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist.

Wahrscheinlich kann es keine wirksame Lösung des Problems geben, ohne die Produktionssysteme und die Regeln des internationalen Marktes infrage zu stellen. Das könnte etwa durch neue Zolltarife geschehen, die sich am Energie- und Kohlenstoffgehalt der importierten Produkte bemessen. Ein solcher Zoll läge gerade nicht auf der Linie einer protektionistischen Logik, denn mit den Einnahmen könnte man nachhaltige Projekte in den Entwicklungsländern finanzieren. Dabei hätten die entsprechenden Aufträge an lokale Firmen oder Gemeinschaftsunternehmen zu gehen, deren Kapital größtenteils aus dem Gastgeberland stammt.

Mit einer solchen gemischten Kohlenstoff-/Energiesteuer müsste auch die einheimische Industrie dieser Länder belegt werden. Die Einnahmen könnten zur Hälfte in den Staatshaushalt fließen und ambitionierte umweltpolitische Schritte finanzieren. Die andere Hälfte könnte man auf einem individuellen Konto des Unternehmens anlegen, aus dem ausschließlich Investitionen in emissionsreduzierende Technologien finanziert werden. Und schließlich sollte eine wirksame Abstimmung der staatlichen Hilfen die Maßnahmen komplettieren. Mit anderen Worten: Als Antwort auf das Scheitern des Coase-Theorems und die Herausforderungen durch die Umweltkrise sollten wir endlich auf die Überlegungen Pigous zurückkommen.

Fußnoten: 1 Dennis Meadows u. a., „Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit“ (Originaltitel: „Limits to Growth“), München (DVA) 1972. 2 Olivier Godard, „L’expérience américaine des permis négociables“, in der Zeitschrift des Centre des Études Prospectives et d’Informations Internationales (CEPII), Nr. 82, 2000. Siehe auch die wirtschaftswissenschaftliche Chronik von Bernard Girard, „Le marché des droits à polluer“, www.bernard girard.com/BernardGirard/aligre/polluer.htm. 3 Pierre Cornu, Courrier de la Planète und Cahiers de Global Chance, Paris, April–Juni 2004. 4 Der Annex B des Protokolls listet die Staaten auf, die sich zu einer CO2-Reduktion verpflichtet haben. Das sind zum einen die Länder, die der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angehören und zum anderen die osteuropäischen Staaten, die sich „im Übergang zur Marktwirtschaft“ befinden. 5 Im Kioto-Protokoll werden sechs Treibhausgase aufgeführt: Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O), Schwefelhexafluorid (SF6), Fluorkohlenwasserstoffe und perfluorierte Kohlenwasserstoffe. Alle Emissionen lassen sich in „CO2-Äquivalente“ umwandeln. Kohlendioxid ist hauptverantwortlich für den Treibhauseffekt, daher dient es als Referenzwert. 6 Ende Juli 2007 verwaltete die Weltbank 11 Kohlenstofffonds im Wert von 2,23 Milliarden Dollar. Der Anteil der Regierungen daran beträgt im Durchschnitt etwa 50 Prozent. 7 Annie Vallée, „Économie de l’environnement“, Points Économie, Paris 2002. 8 Weltbank, „State and Trends of the Carbon Market 2007“, Mai 2007. Die angegebene Zahl entspricht dem in Tonnen CO2 ausgedrückten Handel. 9 Ein interner Bericht an den Evaluationsausschuss für CDM-Projekte zeigt das großzügige Gebahren der privaten Treuhandgesellschaften gegenüber den Unternehmen, deren Dossiers sie zu prüfen haben. Siehe Interview mit Axel Michaelowa, erschienen am 7. Juni 2007 in Le Monde. 10 Lehman Brothers hat Anfang 2007 einen Bericht mit dem Titel „The Business of Climate Change“ veröffentlicht, in dem die Bank die „Herausforderungen“ und „Chancen“ des Klimawandels für die Unternehmen nennt. Siehe auch www.swissre.com, Rubrik „Klimawandel“. 11 Courrier de la Planète und Cahiers de Global Chance, April–Juni 2004. 12 lipietz.net/.

Aus dem Französischen von Uta Rüenauver

Aurélien Bernier ist Autor von „Les OGM en guerre contre la société“, Attac (Mille et une nuits) Paris 2005, und Koautor von „Transgénial!“, Attac (Mille et une nuits) Paris 2006.

Le Monde diplomatique vom 14.12.2007, von Aurélien Bernier